Sehr geehrter Herr Horn,
als wir erfahren haben, dass Mustafa C. die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert wird, waren wir zutiefst erschüttert. Mit diesem Brief möchten wir unsere Wut und Empörung ausdrücken, dass die Freiburger Behörden seine Einbürgerung verhindern wollen. Er klagt daher mittlerweile vor dem Freiburger Verwaltungsgericht.
Mustafa C. wohnt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland, spricht fließend deutsch, hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, engagiert sich seit Jahren für die Partei „Die LINKE“ und seine Kinder spielen im örtlichen Fussballverein. Er setzt sich für eine gerechte und vielfältige Gesellschaft ein, für eine ökologische und friedliche Zukunft. Man könnte also meinen, dass seiner Einbürgerung nichts im Wege stehen sollte. Die gesamte Familie von Mustafa C. hat bereits die deutsche Staatsbürgerschaft.
Aber Mustafa C. engagiert sich nicht nur für eine gerechte Gesellschaft hier in Deutschland, sondern auch in Kurdistan. Sein Vater war in den 1980er Jahren vor dem Militärputsch und der allgegenwärtigen Unterdrückung der Kurd*innen in der Türkei nach Deutschland geflohen und versuchte hier seine Sprache und Kultur zu wahren, aus Widerstand gegen die Assimilierungspolitik des türkischen Staats. Mustafa C. setzte dies fort. Aufgrund seiner kurdischen Herkunft, seines Einsatzes für den Frieden in Kurdistan und seines Engagements in Vereinsstrukturen der kurdischen Community in Freiburg wird ihm nun eine Nähe zur PKK vorgeworfen und die Einbürgerung verweigert. Kurdische Linke werden von den deutschen Behörden unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung immer als PKK-Unterstützer*innen behandelt. Dies dient der Rechtfertigung der Repression gegen sie und muss als politisch motiviert verstanden werden.
Dieser Fall ist kein Einzelfall: Wie Mustafa C. geht es tausenden kurdischstämmigen Menschen hier in Deutschland. Routinemäßig werden Antragsteller*innen für die deutsche Staatsangehörigkeit durch den Verfassungsschutz überprüft. Ebenfalls routinemäßig, so scheint es, bekommen Kurd*innen solche Antworten: “Sie waren am 20.3.2011 auf einer angemeldeten Demonstration und haben dort ein Schild ‚Friede in Kurdistan‘ getragen” oder „Sie waren vor mehr als zehn Jahren im Vorstand eines kurdischen Vereins“. Angemeldete Friedensdemonstrationen, Teilnahme an kurdischen Kulturveranstaltungen und eingetragene Vereine werden als Gründe dafür angegeben, dass die Einbürgerung nicht erfolgen kann. Alleine in Freiburg wurde nach Angaben der kurdischen Community in den letzten Jahren über 15 Menschen mit derartigen Begründungen die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. In vielen Fällen kommt es erst gar nicht zu einer Gerichtsverhandlung. Aus Furcht vor den Kosten und weiteren Folgen schrecken viele Betroffene vor dem Rechtsweg zurück. Mustafa C. hat sich gegen die Furcht und für eine Anklage dieser menschenfeindlichen/diskriminierenden Praxis entschieden. Sein Kampf gegen die Behörden steht damit stellvertretend für die vielen tausend Menschen, die ihre Stimme nicht erheben können.
Die Bundesrepublik macht sich hier aus Eigeninteresse zum langen Arm des türkischen Präsidenten Erdogan. Während dieser in Nord-Ost-Syrien mit seinen dschihadistischen Söldnern Krieg gegen die demokratische Selbstverwaltung der Bevölkerung vor Ort führt, in der Türkei die Opposition in Gefängnisse sperren lässt und die Presse gleichschaltet, wird ihm in Deutschland noch immer der rote Teppich ausgerollt. Um die strategische Partnerschaft mit der Türkei nicht zu gefährden, fließt weiterhin die milliardenschwere finanzielle Unterstützung im Rahmen des EU-Türkei-Deals und die massenhaften Menschenrechtsverletzungen in Erdogans Kampf gegen die Kurd*innen werden billigend in Kauf genommen. Wie schon beim türkischen Angriff auf die kurdische Enklave Afrin, wurde der völkerrechtswidrige Angriff auf Nord-Ost-Syrien zu einem großen Teil auch mit deutschen Waffen geführt. Von der deutschen Bundesregierung kamen keine wirksameren Maßnahmen als leere Worte um den Krieg zu beenden. Und in Deutschland werden Kurd*innen, die sich gegen diese Zustände, engagieren, vom Verfassungsschutz beobachtet und unter Druck gesetzt. Vereine und Symbole der kurdischen Bewegung werden verboten, Verlage mit kurdischer Literatur von der Polizei gestürmt und Bücher konfisziert. Einen Höhepunkt findet dieses Vorgehen darin, dass es vielen kurdischen Menschen in Deutschland verwehrt wird, gleichberechtigte Bürger*innen in dieser Gesellschaft zu werden, in der sie schon so lange leben.
Deshalb fordern wir die Verantwortlichen in Freiburg auf: Machen Sie sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Interessen des Erdogan-Regimes! Nehmen sie die Verweigerung der Einbürgerung von Mustafa C. zurück! Beenden sie das diskriminierende Vorgehen des Amts für Migration und Integration gegenüber unseren kurdischstämmigen Mitmenschen!
Da uns innerhalb kürzester Zeit viele Unterstützer*innen angeschreiben haben, hier nur ein Ausschnitt aus der Unterstützer*innenliste
RA Prof. Dr. Jörg Arnold, Pfaffenweiler
Felix Beuter, Stadtrat, Freiburg
DGB-Stadtverband Freiburg
Peter Dreyer, Richter a.ArbG a.D.
Susanne Dorer, Zarok e.V. , Freiburg
Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Freiburg
Max Heinke, Erika Weisser, VVN-BdA Kreisvereinigung Freiburg
Michael Herbstritt, Gewerkschaftssekretär, Freiburg
Dr. med. Petra Jung, Fachärztin für Allgemeinmedizin am UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
Alexander Kauz, Kreisvorsitzender DGB Ortsverband Waldkirch – Elztal und Umgebung
Bettina Kriegel, Lehrerin
Berthold Lange, Vorstand der Kant-Stiftung®
RA Dr. Klaus Malek
Prof. Oliver Nachtwey, Universität Basel
Rausan Öger, Stadträtin der Linken Liste Lahr, Kreisrätin der Linken Liste Ortenau
Tobias Pflüger, MdB, seine Erklärung gibt es hier zum Download
Prof. Dr. Günter Rausch
Wolfgang Rohm, Mitglied im DGB Stadtverbandsvorstand Freiburg, Mitglied im ver.di Ortsvereinsvorstand Freiburg
Prof. Dr. Albert Scherr
Dirk Schorn, Sozialwirt
Werner Siebler
Dirk Spöri, Landesprecher Die Linke BaWü
Thomas Vitallowitz, Vorsitzender des ver.di Ortsverein Freiburg
Alevitischer Kulturverein, Freiburg
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln Fraktion Eine Stadt für alle – links. ökologisch. feministisch, Freiburg
Grüne Alternative Freiburg
Demokratisches kurdisches GEsellschaftszentrum Freiburg
DIE LINKE Kreisverband Emmendingen
Linke Liste – Solidarische Stadt
Motorradclub Kuhle Wampe Freiburg
VVN-BdA Kreisvereinigung Freiburg